
Selfie im Sanamluang Café, Hollywood Boulevard, Los Angeles
Seit meinem 18. Lebensjahr reise ich alleine, mit wenigen Ausnahmen. Das hat wahnsinnig viele Vorteile. Zum Beispiel muss ich nie Kompromisse eingehen, nie auf jemanden warten, kann tun und lassen, was und wann ich es will. Kann ich sehr empfehlen. Es gibt aber eine Sache neben den üblichen Ängsten, die viele davon abhält, alleine zu reisen: die Angst, alleine in der Öffentlichkeit zu essen. Die ist berechtigt. Und besiegbar. Man muss sich nur über ein paar Punkte im Klaren sein.
Der erste Punkt: Was ist die Alternative? Essen zum Mitnehmen bestellen und dann im Hotelzimmer essen? Das ist wirklich traurig und einsam. Also gar nix essen?
Der zweite Punkt: Die Arschlöcher sind weiter weg, wenn man alleine essen geht. Hier eine Typologie der Menschen, mit denen ich nicht an einem Tisch setzen will:
- Der Schmatzer: Kann nicht mit geschlossenem Mund essen und zeigt seinem Gegenüber gerne, wie Gekautes aussieht. Lässt ab und zu was auf den Teller oder in den Bart fallen, damit er mehr vom Essen hat.
- Der Steinzeit-Mensch: Hat nie gelernt, mit Besteck zu essen, benutzt es aber trotzdem.
- Der Bestell-Depp: Steht minutenlang in der Schlange eines Imbisses, was ihm genügend Zeit gibt, die Karte zu studieren, die überdimensioniert über dem Verkaufstresen angebracht ist. Beschließt aber, sich erst dann damit auseinanderzusetzen, wenn er an der Reihe ist.
- Der Zutaten-Quälgeist: Ist gerne gegen bestimmte Lebensmittel allergisch, die bekanntermaßen Hauptbestandteil der jeweiligen Küche sind, die er angeblich total geil findet. Erwartet, dass der Koch für ihn Zutaten weglässt…
- Der Klugscheißer: Fragt den Service, ob die Speisen denn auch wirklich authentisch zubereitet werden. Hat schließlich als Backpacker die Heimat des Restaurantbesitzers so erlebt, wie sie wirklich ist.

Selfie im Banzaan Fresh Market, Patong, Phuket
Der dritte Punkt: Es ist allen anderen völlig egal, ob Du alleine isst. Keiner schaut blöd. Und wenn doch, dann nur, weil er oder sie tatsächlich ein bisschen blöd ist.
Der vierte Punkt: Alleine zu essen, ist tatsächlich ein Fest für die Sinne. Man ist nicht abgelenkt und fühlt, riecht, sieht, hört und schmeckt mehr. Alleine vor einem köstlich duftenden Teller zu sitzen, ist für mich so, als wäre ich wieder Kind und würde ein Geschenk auspacken.
Der fünfte Punkt: Beim ersten Mal ist man ein Fremder, beim zweiten Mal ein Freund. Diese Erfahrung mache ich überall und immer wieder. Gute Gastronomen sind gut zu Gästen. Man erkennt sie daran, dass sie können, was sie tun.

Sukhumvit Soi 38: Nimm verdammt nochmal Platz
Der sechste Punkt: Sich mit sich selbst zu beschäftigen, ist nicht das schlechteste Unterhaltungsprogramm. Es tut ganz gut, von Zeit zu Zeit ein paar Dinge Revue passieren zu lassen, das Erlebte des Tages sacken zu lassen und im Kopfkino nochmal abzuspielen. Das klappt nicht nur in einem Liegestuhl am Strand, sondern auch in einer Markthalle, umringt von zweihundert mampfenden Menschen. Ist übrigens auch viel lustiger. Ich ziehe aus solchen Situationen mehr Kraft als aus einer Stunde Schlaf.
Der siebte Punkt: Wer alleine isst, ist schneller fertig. Und sieht so mehr von der Welt.
Letzter Punkt: You wanna live like local? Eat like a local! Also steh auf, geh raus, sei freundlich, bestelle und genieße. Du verpasst sonst was. Besonders in der Gesellschaft von Thais.